General-Anzeiger Bonn vom 7./8. August 2010
Im Tunnel von Erpel
Das Theaterstück »Die Brücke“ von Walter Ullrich bringt ein Stück Zeitgeschichte
an den Originalschauplatz zurück
Leutnant Timmermann hat einen gewagten Plan. Sollte es gelingen, die Ludendorffbrücke bei Remagen zu überqueren und auf die rechte Rheinseite zu gelangen, wäre das ein gewaltiger Schritt nach vorn. Doch es ist mehr als Strategie, was ihm durch den Kopf geht.
Es sind Erinnerungen an seinen Vater, der dem Jungen Karl Heinz Zimmermann damals
von der Erpeler Ley aus das Rheintal gezeigt hat. Jetzt also kehrt er zurück, mit der
9. US-Panzerdivision, die am Morgen des 7. März 1945 in Meckenheim aufgebrochen ist.
So beginnt »Die Brücke«.
Walter Ullrich, Leiter des Kleinen Theaters in Bad Godesberg und Intendant der Landesbühne Rheinland-Pfalz, hat das Theaterstück nach Rolf Palms Tatsachenroman »Die Brücke von Remagen« verfasst. »Die Brücke« ist vom 14. August bis zum 4. September im Eisenbahntunnel unter der Erpeler Ley zu sehen. Premiere feierte das Stück im September 2006 im Schlosstheater in Neuwied und im Oktober auch am Originalschauplatz selbst. Seither wurde es mehr als 40 mal gespielt.
Die Brücke: Inszenierung im Eisenbahntunnel unter der Erpeler Ley
Für Edgar Neustein, den Vorsitzenden des 2005 gegründeten Vereins »ad Erpelle, Kunst- und Kulturkreis Erpel« ist jede Vorstellung ein Erlebnis. Jede hinterlässt eine Gänsehaut. Und das liegt nicht daran, dass die Temperatur im Tunnel bei gerade mal zwölf Grad liegt. »Man spürt es jedes Mal: diese gespannte Stille nach der letzten Szene, bis schließlich der Applaus einsetzt«, beschreibt Neustein seine Faszination.
Die Idee, Zeitgeschichte genau dort zu zeigen, wo sie sich vor 60 Jahren abgespielt hat, kamen Ullrich und Neustein 2005 bei einer Lesung zur Gedenkfeier im Erpeler Bürgersaal. »Wir haben dann auch gleich die Aufgaben verteilt: Er schreibt das Stück, ich kümmere mich um den Rest«, fügt Neustein halb scherzhaft hinzu.
Wobei er nicht allein bleiben sollte: So zählte der Verein »ad Erpelle«, dessen Ziel es ist, den Tunnel und die Brückentürme der Ludendorffbrücke einer kulturellen Nutzung zugänglich zu machen, bei der Gründungsversammlung 60 Mitglieder. Heute sind es rund 100.
Was folgte, war »ein gutes Stück Arbeit«, um den Tunnel zu entrümpeln und dort eine
70 Meter lange Betonplatte einzuziehen. Genau dort, wo Zivilisten 1945 Schutz vor den täglichen Bombenangriffen gesucht hatten; unter ihnen auch Familie Feldens. Als am Nachmittag des 7. März die alliierten Truppen, von Remagen über die Ludendorffbrücke kommend, von beiden Seiten in den Tunnel schossen, lief Willi Feldens mit einigen Frauen heraus, schwenkte weiße Tücher. Seine schwarze Eisenbahneruniform war offenbar schuld daran, dass er gezielt beschossen wurde. Er erlag noch in derselben Nacht im Tunnel seinen schweren Verletzungen. Feldens Frau Maria hat die damaligen Ereignisse in ihrem Tagebuch festgehalten.« Für Neustein ist dieser erschütternde Bericht eines der »authentischsten Zeugnisse überhaupt«.
Ullrichs mit Originaluniformen ausgestattetes Stück, bei dem Erpeler Bürger das Profi-Ensemble als Statisten unterstützen, zeigt die Ereignisse vom 7. März 1945 aus allen Perspektiven. So wissen Hauptmann Wilhelm Bratge (Heiko Haynert), Brückenkommandant Karl Friesenhahn (Karl-Heinz-Dickmann) und der Brückenmeister Jakob Kleebach (Stefan Krause) längst, was noch immer nicht laut ausgesprochen werden darf: Die Lage ist aussichtslos - und der Endsieg eine zynische Durchhalteparole.
Letztlich soll Timmermann (Robert Christott) mit seiner Entscheidung Recht behalten. »Die Brücke ist ihr Gewicht in Gold wert«, sagte General Eisenhower seinerzeit. Dass sie
zehn Tage danach zusammenbrach und 28 amerikanische Soldaten in den Tod riss, erscheint angesichts dessen wie eine bittere Ironie des Schicksals. Ullrichs Stück aber endet mit dem Appell Timmermanns, dass von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen darf.
Text: Ulrike Strauch
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