Blick aktuell Nr. 36 vom 3. September 2009
Kunst als Brücke
von der Vergangenheit zur Gegenwart

Das zweite Brückenfestival setzt sich mit dem Dualismus »Laut und Leise« auf vielfältige Weise auseinander

Fahnen mit erotischen Darstellungen, die Installation »Reflexionen« von Anke Noreike, flattern in Erpel an der Rheinpromenade zur Zeit im Wind, während Herbert Höcky zwei weiße, sich selbst tragende Elemente auf dem Rasenstück vor den beiden Brückentürmen als Sperre aufgebaut hat.

Zusammen mit den Künstlern begrüßte Ingo Mass im ehemaligen Eisenbahntunnel die Gäste zur Eröffnung des zweiten Brückenfestivals »Laut – leise« (linkes Bild) Fast bis ganz nach oben hat sich die »Kopfarmee« geflüchtet (rechtes Bild)
Zusammen mit den Künstlern begrüßte Ingo Mass im ehemaligen Eisenbahntunnel die Gäste zur Eröffnung des zweiten Brückenfestivals »Laut – leise« (linkes Bild) Fast bis ganz nach oben hat sich die »Kopfarmee« geflüchtet (rechtes Bild)

Die aber war am Wochenende nicht notwendig, um Autofahrer zum Anhalten zu bewegen. Längst hatte es sich herumgesprochen, dass am Fuße der Erpeler Ley das 2. Brückenfestival nach der glanzvollen und viel beachteten Premiere vor zwei Jahren eröffnet wurde. Unter dem Motto »Die Faszination des Gegensätzlichen« hatte man damals das Thema »Bewegung – Stillstand« gewählt, dieses Jahr stellen 30 bildende Künstler zum Dualismus »Laut – Leise« aus. So sieht man sich im Eingangsbereich des Nordturms etwa der »Metamorphose« von Leif Eric Voss gegenüber, sieben je nach Betrachtungsweise größenmäßig aufsteigende oder abfallende Holzstelen, auf denen Beton-Stahl-Gebilde immer abstraktere oder eben auch konkreter werdende Formen annehmen. Im oktogonalen Innenbereich des Turms ragen leicht gekrümmte, weiße Elemente kreis- oder spiralförmig gruppiert aus dunklem Basaltschotter auf. »Strudel« hat Herbert Höcky sein Werk genannt, daran erinnernd, dass man nicht mehr über sich bestimmen kann, wenn man in einen solchen Strudel gerät, unabhängig davon, ob dieser einen im Rhein, in der Luft oder im Leben erfasst. Darüber schweben leise acht Flugobjekte von Ute Krautkremer unlösbar verknüpft mit der Geschichte der Brückentürme, über denen im Zweiten Weltkrieg die Bomber der Alliierten dröhnend ihre vernichtend-tödliche Last abgeworfen hatten.

Das Thema »Krieg« thematisiert auch Marion Linke. Von ihren »Lost Children« zeugen zarte, graue Tüllhemden, die im Turm leise schweben, während ein »Spielzeug«-Pferd matt-golden glänzend aus Maschinengewehr-Patronenhülsen an Lärmgetöse der Gewalt erinnert, das den Kindersoldaten Afrikas ihre Kindheit geraubt hat. Raubbau der Energiereserven betreiben auch die reichen Industrienationen zu Lasten der armen, so genannten »Dritten Welt«-Staaten, um ihre Konsumgüter zu importieren. wie Monika Radhoff-Trolls »African Dinner« veranschaulicht.

»Verstummte Schreie« kann der Besucher natürlich nicht hören, empfindet sie aber unwillkürlich, wenn er sich den drei lebensgroßen, verschnürten Gestalten von Michael Marx gegenübersieht, die sich, extrem zusammengedrückt, in dramatischen Gebärden am Boden krümmen, während Metallgeflecht und Stacheldraht ihre kleineren Pendants in den offenen Kästen an der Wand des Brückenturms gefangen halten. Schließlich wartet die »Kopfarmee« von Monika Ehrhard-Marschal und Josef Marschal unterhalb von Anna Stockers »Lichtkleid« in der fünften Etage des Turms auf den Besucher, der sich im südlichen Zwillingsturm einem riesigen Kreuz ohne Gekreuzigten gegenübersieht.

Dafür hat Wolf Rabe an langen goldenen Fäden Knochen fixiert, die von dem Stahlkreuz bis auf dem Boden lang herabhängend eben noch reglos in der Lautlosigkeit verharrten. dann aber durch die eingespielten Klänge der Tönefänger von Frank Witte in hörbare Schwingungen versetzt werden. Ein kleiner Flieger spielt auf die Zerstörung der Twin Towers von New York am 11. September an, ein »unmenschliches« Ereignis, an das der Bonner Künstler stets erinnert, in Erpel sogar noch mit seinem Landart-Projekt mit Schülern von Schloss Hagerhof zwischen den Türmen und dem früheren Eisenbahntunnel.

In dem begrüßte am Abend Ingo Maas vom Bad Honnefer Fördervereins Junge Kunst. zusammen mit dem Erpeler Kunst- und Kulturkreis »ad Erpelle« Veranstalter des Brückenfestivals, die Gäste, darunter neben Bürgermeisterin Cilly Adenauer und VG-Chef Werner Zimmermann auch die Bundestagsabgeordnete Sabine Bätzing und Landrat Rainer Kaul. »Während bei üblichen Ausstellungen Arbeiten von Künstlern zu sehen sind, die während einer gewissen Zeitspanne ihres kreativen Schaffens entstanden sind, zeigen wir hier Projekte, die gezielt für den außergewöhnliche Raum der Brückentürme und in intensiver Auseinandersetzung mit der Geschichte dieses Ortes entworfen und unter dem dualistischen Motto ›Laut – Leise‹ umgesetzt worden sind«, betonte Ingo Maas.

»Ihrer ursprünglich wehrhaften Funktion beraubt, die ehemalige Ludendorffbrücke sicher aufzunehmen, fordern die Brückentürme geradezu heraus, ihnen eine neue Funktion zukommen zu lassen. Mit dem Brückenfestival ist wieder zeitgenössische Kunst in den historischen Ort eingezogen, so dass die ungewohnte Dynamik der Brückentürme entgegen ihrer früheren Bestimmung, über die Ludendorffbrücke deutsche Soldaten Richtung Westen in den Krieg zu schicken, für einen Friedensappell genutzt wird«, beschrieb der Vorsitzende von »ad Erpelle«, Edgar Neustein, die Bestimmung des Brückenfestivals. Das sei ein ganz besonderes Ereignis, wie das erneut große Interesse belege, fand Cilly Adenauer. Einige der Arbeiten würden den Betrachter sofort gefangen nehmen, während bei andere eine langsame Annäherung von Nöten sei.

Nicht zum »Highway to hell«, wohl aber die Serpentinen zur Erpeler Ley ging es anschließend hinauf, stand am Eröffnungsabend dort doch auch noch das Konzert der Leipziger Autosymphoniker auf dem Programm. Stolze 15 Oldtimer vom Alfa bis zum Volvo hatte der Organisator dieses speziellen Events, Helmut Reinelt von der Fördergemeinschaft, auffahren lassen.

Deren Hupen, unterstützt von Musik vom Band, »bliesen« Beethovens Ode, bevor die Karossen selber zum »schweren Blech umfunktioniert wurden oder ihre Gaspedale die Motoren wild aufbrausen ließen und somit nicht nur im übertragenen Sinn für »abgefahrene Musik« sorgten.

Highlight des Rahmenprogramms ist aber sicher das von Lichtprojektionen begleitete Konzert »Drummings« von Ivan Mancinelli und seinem Percussion-Ensemble aus Sardinien am Samstag. 5. September. ab 19.30 Uhr im Tunnel, verriet Ingo Maas. Die Arbeiten des Brückenfestivals sind zu sehen am 3. bis 5. September von 17 bis 22 Uhr, am 6./10./12. September von 14 bis 18 Uhr, am 11. September. von 14 bis 22 Uhr und am Tag der Finissage, Sonntag, 13. September, von 11 bis 14 Uhr. Eine Performance des Landart-Projekts beginnt am Freitag, 11. September um 15 Uhr vor dem Tunnel, ab 19.30 Uhr geben Nicole Thomas-Zyczynski und Tiki Shewan dann in den Brückentürmen ein deutsch-amerikanisches Freundschaftskonzert.

Text und Fotos: -DL-

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