Rhein-Zeitung vom 25. September 2007
Ein Konzert des Mit- und Gegeneinanders
Markus Stockhausen und Tara Bouman
bescheren in Erpel ein außergewöhnliches Klangerlebnis
Jazz-Trompeter Markus Stockhausen
und Klarinettistin Tara Bouman erkunden mit ihren Instrumenten
einen außergewöhnlichen Raum: den Erpeler Tunnel.
Einst ratterten die dampfenden Feuerrosse
durch den Erpeler Tunnel. Während noch heute die Güterzüge
entlang der übrig geblieben Türme des Rheinübergangs
brausen, herrscht im ehemaligen Eisenbahnstollen in Erpel
fast Lautlosigkeit. Der richtige Ort für Markus Stockhausen
und Tara Bouman, ihre kompositorischen wie intuitiven Klangwelten
zusammen mit der Lichtinstallation von Rolf Zavelberg beim
Brückenfestival 2007 zu präsentieren.
Es muss nicht gleich die große Pyramide
von Gizeh sein, in der Künstler wie der Flötenspezialist
Paul Horn meditative Tonkunst vom Feinsten zelebrieren. Es
reicht auch ein ehemaliger Eisenbahntunnel, um in Gefilde
der klingenden Stille zu führen. Im Rahmen des Brückenfestivals
(die RZ berichtete) hatte der rührige Künstlerverein
FJK mit Sitz in Bad Honnef den genialen Einfall, in seinem
Programm auch einen Musikbeitrag zu offerieren, der dem Ambiente
und dem Anspruch voll gerecht wurde, Gegensätze wirken
zu lassen, die sich anziehen.
Die zerstörte Brücke von Remagen
steht wie ein Fanal in der lieblichen Rheinlandschaft, gleichzeitig
für Ruin und Versöhnung. Hell und dunkel bis Bewegung
und Stillstand, dafür sorgt das Duo "Moving Sounds"
inklusive Lichtinszenierung. Das Künstlerpaar schafft
im Tunnelbereich eine Atmosphäre, die alles um einen
herum vergessen macht.
Die Töne kommen aus dem hinteren
Stollenbereich. Die acht an die runden Wände geworfenen
blauroten Streifen lassen nicht erkennen, wo die Musiker stehen.
Doch das ist nicht wichtig. Die zunächst sakral dominierenden
Klänge, die dem Flügelhorn und der Klarinette entweichen,
kommen näher und näher, die Instrumentalisten werden
sichtbarer. Vor dem aufgestellten weißen runden Schirm,
in dessen wechselndem Farbenlicht sich im Laufe des Konzertes
die Schatten der Bläser mal prägnant, mal leicht
verwaschen spiegeln werden, erhöhen Markus Stockhausen
und Tara Boumann das Tempo, ohne den meditativen Charakter
von "Andrea" zu ändern.
In einen buddhistischen Tempel versetzt
fühlt sich das Publikum bei "Maytime". Die
vielfach preisgekrönte holländische Klarinettistin
schlägt den Gong, während sich der Kölner Avantgarde-Jazzer,
den Rücken zum Publikum kehrend, den Weiten des Tunnels
mit dem Horn zu öffnen versucht. Nicht dass der 50-jährige
Allroundmusiker wie weiland Miles Davis aus Arroganz und Selbstversunkenheit
den Unhöfling mimt. Nein. Stockhausen erkundet die Möglichkeiten
des Raumes. Denn die Komposition ist zwar im Kopf, doch das
intuitive Tun genießt klaren Vorrang vor der Improvisation,
ist vielleicht sogar eine Stufe höher, ein weiteres Voranschreiten,
ähnlich wie in Hermann Hesses "Glasperlenspiel".
Nicht nur dazu passt bestens die atmosphärische Lichtgestaltung
von Rolf Zavelberg. Es ist eben ein Gesamtkunstwerk, das sich
erst aus dem Miteinander der Performer sowie der Räumlichkeit
erschafft.
Bei all dem technischen Aufwand und dem
Kreativitätsprozess vor dem Auftritt, entscheidend ist
das Miteinander der Künstler zur Überwindung der
Örtlichkeit. Das Gefühl von Grenzenlosigkeit ist
zumindest vorübergehend präsent. Auch und gerade,
wenn Stockhausen der Maschine Loops entlockt. Dazu akustische
Klarinettentöne, und prompt stellt sich ein Sound ein,
der die psychedelischen Meisterwerke Klaus Schulzes und Pink
Floyds noch zu toppen weiß.
Höhepunkt der Vorstellung ist der
lange "Dialog". Und wieder nähern sich aus
entgegengesetzten Richtungen die Gegensätze an. Tara
Bouman lockt mit tiefen archaischen Tönen, die Bassklarinette
verwandelt sich zeitweise in ein Didgeridoo.
Markus Stockhausens Spiel glänzt
dazu mit hellem Timbre. Wechselseitig rufen die Instrumente,
beharrlich, bis sie sich erneut vor dem Schirm treffen. Holz
und Blech, Bouman und Stockhausen erweisen sich endgültig
als kongeniale Komplementärpartner. Tosender Applaus.
Text und Foto: Michael Schaust
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