Blick aktuell vom 12. Oktober 2006
Das Schauspiel "Die Brücke" feierte Premiere

Die Zuschauer zeigten sich tief beeindruckt von der Aufführung der Landesbühne Rheinland-Pfalz


Das Grollen der Sprengung ist bis in den Eisenbahntunnel zu hören, zerstört worden ist die Ludendorffbrücke jedoch nicht.

Feucht und kalt ist es im Tunnel hinter den Türmen der ehemaligen Ludendorffbrücke, der sich 333 Meter lang unter der Erpeler Ley hinzieht. Aber davon merken die Zuschauer kaum etwas. Gebannt verfolgen sie das Geschehen auf der Bühne, auf der die Geschichte an ihren Originalschauplatz zurückgekehrt ist. Denn am 7. März 1945 stand die Brücke im Blickpunkt der Weltgeschichte, als eine kleine Vorhut der 9. US Panzerdivision unter Leitung des deutschstämmigen Leutnants Karl Timmermann Remagen erreicht und den Befehl erhält, den Fluss über eine der beiden letzten Rheinbrücken zu überqueren und den Brückenkopf der Deutschen Wehrmacht im Eisenbahntunnel einzunehmen.

"Die Idee, den Tunnel für Theateraufführungen zu nutzen, hatte unser Spielleiter Peter Becker schon vor über 20 Jahren", erinnerte der Erpeler Bürgermeister Edgar Neustein in seiner Ansprache am Tag der Deutschen Einheit, bei der er neben Landrat Rainer Kaul, VG-Chef Werner Zimmermann, seinen Remagener Kollegen Herbert Georgi sowie Peter Kürthen, den Gründer des Friedensmuseums in den Remagener Brückentürmen, auch Staatsminister a.D. Heinz Schwarz und Hermann Kesselheim begrüßen konnte, die als Flakhelfer bis zur kurz vor Einnahme der Brücke auf den Türmen im Einsatz gewesen waren. Ebenso als Ehrengäste willkommen heißen konnte er Gerd Scheller, den Sohn des damaligen Brückenkommandanten, und Karl Feldens, dessen Vater als einziges ziviles Opfer während des Angriffs tödlich verletzt wurde.

"Nach seiner Lesung aus dem Roman anlässlich des 60. Jahrestages der Eroberung der Brücke erwähnte Walter Ullrich, dass sich der Romans zur Dramatisierung eigne, Grund genug, die Idee von Peter Becker wieder aufzugreifen. Realisieren ließ sie sich aber nur durch die Gründung des Kunst- und Kulturvereins ›Ad erpelle‹ und Dank zahlreicher Sponsoren", fasste Edgar Neustein, der selber den Vorsitz des Vereins übernommen hatte, den langen Weg bis zur Umsetzung des Projekts kurz zusammen.

Dann aber gehört die Bühne den Schauspielern, das heißt zunächst Rene Oltmanns als Leutnant Karl Heinz Timmermann, der in einem langen Monolog die militärische Lage am 7. März 1944 schildert, bis seine Truppe Remagen erreicht. Vom Nahen der Alliierten weiß die Brückenbesatzung zunächst noch nichts Genaues. Hauptmann Wilhelm Bratge (Heiko Haynert) und Brückenkommandant Karl Friesenhahn (Karl-Heinz Dickmann) warten ungeduldig auf den bestellten Pioniersprengstoff, während in dem Tunnel ein Großteil der Erpeler Bevölkerung Schutz sucht. Statt der 600 Kilo kommen gegen 11 Uhr jedoch nur 300 Kilo Sprengstoff und dann auch noch das wesentlich schwächere Donarit. Gleichzeitig taucht Major Hans Scheller (Matthias Kiel) auf, dem die Befehlsgewalt über den Brückenkopf übertragen worden ist, was zusätzlich für Verwirrung sorgt. Während Bratge die Sprengung angesichts der anrückenden Amerikaner vornehmen will, besteht der neue Befehlshaber darauf zu warten, um möglichst vielen flüchtenden deutschen Soldaten noch die Rheinüberquerung zu ermöglichen.

"Das Stück zeigt, im Gegensatz zu dem reißerischen Hollywood-Streifen, ziemlich genau die Situation im Tunnel, das absolute Chaos der Führung, auch wenn das Stück natürlich fiktiv ist", erklärte Heinz Schwarz nach der Aufführung. Hitlerjungen etwa hätten im Tunnel keine Rolle gespielt. "Im Stück werden sie aber eingesetzt, um die unterschiedliche Einstellung zu zeigen, vom regimetreuen Anhänger Hitlers, der immer noch vom Endsieg träumt, bis zum desillusionierten jungen Deutschen, der die Durchhalteparolen längst durchschaut hat und sich ein Ende des Krieges herbeisehnt", analysiert der Zeitzeuge nach der Aufführung.

Dumpf hallt die Detonation der Sprengung durch den Tunnel, die, wie die Geschichte lehrt, fehlschlug. Dem folgenden Angriff der Amerikaner haben die extrem schlecht bewaffnete Besatzung im Tunnel nichts entgegenzusetzen. Weiße Tücher schwenkend, laufen Frauen mit Willi Feldens, auf den möglicherweise wegen seiner schwarzen Eisenbahneruniform geschossen wird, zum Tunneleingang und signalisieren die Kapitulation. Die Brücke ist in amerikanischer Hand. Ein Glücksall für die Alliierten. Für sie mag die Ludendorffbrücke ihr Gewicht in Gold wert gewesen sein, wie General Eisenhower gesagt haben soll, für die deutsche Bevölkerung bedeutete sie jedoch viel ehr als nur eine Verkürzung des Krieges um gut drei Monate.

"1.716 Flugzeuge und 1.350 Lastensegler sollten 17.000 Soldaten samt Fahrzeugen und Geschützen hinter der deutschen Front absetzen. Sodann war geplant, einen 50 Kilometer langen und acht Kilometer breiten Streifen sturmfrei zu bomben", berichtet Timmermann, nachdem die deutsche Brückenbesatzung in Gefangenschaft geführt worden ist. "Kein Stein wäre auf dem anderen geblieben zwischen Koblenz und Beuel angesichts des geplanten Einsatzes von 8.000 Kampfflugzeugen und 4.000 Kanonen. 65.000 Granaten sollten in einer Stunde abgeschossen werden", berichtete Heinz Schwarz.

"Krieg dem Kriege! Und Friede auf Erden." Und statt "Versöhnung über die Gräber" - "Freundschaft unter Lebenden!", dafür setzt sich das Stück ein, das vor allem den älteren Zuschauer deutlich unter die Haut ging. Um wirklich ergriffen zu machen, thematisiert es zu stark den militärischen Aspekt und zu wenig die menschlichen Schicksale. Vor allem an die zahlreichen jungen Besucher adressiert schloss Timmermann deshalb mit einer nachdrücklichen Warnung: "Drei Kriege führte das stolze Karthago. Nach dem ersten war. es noch mächtig, nach dem zweiten noch bewohnbar. Nach dem dritten war es nicht mehr auffindbar!"

Text und Foto: - DL -

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