Rheinzeitung vom 7. Oktober 2006
Erpeler Tunnel wird zur Theaterbühne
Das Stück "Die Brücke"
begeisterte die Gäste am Originaischauplatz
Dick eingepackt in Winterjacke und Schal
fieberten die Theaterbesucher der ausverkauften Premiere des
Stückes
,,Die Brücke" im Erpeler Tunnel entgegen. In dem
333 Meter langen Bauwerk herrscht eine konstante Temperatur
von zwölf Grad.
Das Dokumentationsspiel "Die Brücke",
aufgeführt am Ort des
Geschehens, im Tunnel unter der Erpeler Ley wie ist
das beim Publikum angekommen? Die RZ hörte sich um.
Knatternde Maschinengewehrsalven und dröhnende
Bombeneinschläge künden davon, dass der Feind näher
kommt. Letzte Rettung versprechen sich Hauptmann Wilhelm Bratge
und Major Hans Scheller von der Sprengung der Brücke,
die den Rhein bei Remagen und Erpel überquert. In erwartungsvoller
Anspannung blicken die Angehörigen der Wehrmacht und
die Bürger, die Schutz im Erpeler Tunnel gesucht haben,
in Richtung Brücke. Dumpf grollt die Detonation, doch
die Stahlkonstruktion bleibt stehen. Der Weg für die
Amerikaner auf die rechte Rheinseite ist frei.
Dass diese Ereignisse vom 7. März
1945, die im Mittelpunkt des Theaterstückes "Die
Brücke" stehen, das die Landesbühne Neuwied
noch bis zum 8. Oktober am Originalschauplatz im Erpeler Tunnel
zeigt, einmal als .Das Wunder von Remagen" in die Geschichte
eingehen würden, ahnte damals noch niemand. "Wir
waren nur darauf bedacht, die Sache zu überleben",
erinnert sich der Neuwieder Hermann Kesselheim (78). "Ich
war heilfroh, dass das überstanden war und dass es dann
keine weiteren Bombardierungen mehr gab."
Kesselheim war damals Flakhelfer in Erpel
und hat Intendant Walter Ullrich, der das Stück nach
der Vorlage des Romans "Die Brücke von Remagen"
von Rolf Palm selbst geschrieben hat, beratend zur Seite gestanden.
"Was die Flakhelfer und die Hitlerjungen in dem Stück
sagen, das habe ich geschrieben", sagt der Zeitzeuge,
der damals 17 Jahre alt war. Von den Aufführungen am
Originalschauplatz im Erpeler Tunnel ist er sehr beeindruckt.
"Jeder, der da sitzt, weiß, du sitzt jetzt hier,
wo das alles passiert ist." Die Atmosphäre im Tunnel
unterstreiche die Wirkung des Stückes.
Dazu zählt auch die niedrige Temperatur.
Konstante zwölf Grad sind es in dem 333 Meter langen
Bauwerk unter der Erpeler Ley. Dementsprechend tragen viele
Zuschauer dicke Winterjacken, Jeans und feste Schuhe. Einige
haben eine Wolldecke über ihren Beinen ausgebreitet.
"Man spürt, dass man an Geschichte
teilnimmt", sagt der Erpeler Ortsbürgermeister Edgar
Neustein. "Es ist ein Friedensappell." Als Vorsitzender
des Kunst- und Kulturvereins "ad Erpelle" war er
maßgeblich daran beteiligt, dass aus dem Tunnel, in
dem vor vielen Jahren Champignons gezüchtet wurden, ein
Theater mit Stehtischen und Getränkeausschank im Eingangsbereich
geworden ist. "Toll, dass sich Leute gefunden haben,
die versuchen, aus dem Tunnel etwas zu machen", findet
Marion Kisteneich, die jetzt in Eitorf an der Sieg wohnt:
"Ich hin hier aufgewachsen, habe aber den Tunnel noch
nie von innen gesehen." Auch Brigitte Umbach ist zum
ersten Mal im Tunnel. "Das ist einfach toll. Ich konnte
mir das gar nicht so vorstellen, sagt die Unkelerin, die 1941
geboren wurde. Der Tunnel als Theater - eine Idee, die ankommt,
wie auch die Tatsache belegt, dass alle Veranstaltungen in
Erpel ausverkauft sind.
"Ich bin sehr beeindruckt",
sagt Alma Mikic. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Ilija und den
Kindern Nada (17) und Stefan hat sich die Familie, die seit
rund 30 Jahren in Erpel lebt, das Stück angesehen. "Als
Wirtsleute vom Restaurant ,Zur Brücke' in Erpel sollten
wir wissen, was hier passiert ist", meint Ilija Mikic.
"Mir hat das Ambiente sehr gut gefallen, und dass das
kein typisches Theater war. Dadurch kann man sich die Situation
sehr gut vorstellen", sagt Nada. Ihr zehnjähriger
Bruder nickt: "Ich habe das alles gut verstanden."
Dem Erpeler Markus Christmann sagte der geschichtliche Hintergrund
des Stückes zu. Durch die Aufführung im Tunnel seien
die Geschehnisse stärker ins Bewusstsein gerückt.
"Es ist prägnanter, wenn man das einmal so vor Augen
geführt bekommt", meint der 37-Jährige.
Text: Geertje Oldermann / Foto: Creativ
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