Rhein-Zeitung vom 1. September 2006
Landesbühne spielt regionale Geschichte

Intendant Walter Ullrich hat eine Episode vom Ende des Zweiten Weltkrieges dramatisiert – "Die Brücke" wird auch im Erpeler Tunnel aufgeführt

März 1945: Amerikanische Truppen sind im Anmarsch. US-Leutnant Timmermann schaut auf das Rheintal hinunter und plant die Eroberung. Walter Ullrich, Intendant der Landesbühne Rheinland-Pfalz, hat einen Moment der Weltkriegsgeschichte in ein Theaterstück gepackt, das Anfang Oktober auch an seinem Originalschauplatz im Tunnel unter der Erpeler Ley aufgeführt wird. Die RZ war bei den Proben dabei.

ERPEL/NEUWIED. Seit März 2005 arbeitet Walter Ullrich, Intendant der Landesbühne Rheinland-Pfalz, an den Vorbereitungen zum Stück "Die Brücke", das auf dem Roman "Die Brücke von Remagen" von Rolf Palm beruht. Die Rheinbrücke, die ehemals Erpel und Remagen verband, steht sowohl im Roman als auch im Stück im Mittelpunkt. Am 3. Oktober, 15.30 Uhr, wird das Stück am Originalschauplatz, im ehemaligen Eisenbahntunnel unter der Erpeler Ley, aufgeführt. Bereits am 6. September, 20 Uhr, beginnt die Landesbühne in Neuwied die neue Saison mit regionaler Geschichte.

75 Minuten Aufführung bringen dem Zuschauer die Geschichte der Rheinbrücke, die am 17. März 1945 wegen Überbelastung einstürzte, näher. Keine Identifikationsfiguren stehen auf der Bühne, sondern Repräsentanten der letzten Kriegsmonate: der amerikanische Soldat Karl Heinz Timmermann, Feldwebel Kleebach, Bürger von Erpel, die sich in den Tunnel flüchten, und Hitlerjungen, die noch glauben, ihre Pflicht gegenüber dem Vaterland erfüllen zu müssen. Nicht das Schicksal des Einzelnen steht im Zentrum, sondern das Geschehen. Die Zufälle, die die Sprengung der Brücke immer wieder verhinderten, der Vormarsch der Amerikaner. Es sind die Ereignisse, die das Stück stark machen. Das hat auch Walter Ullrich erkannt, der den Stoff des Romans für die Landesbühne dramatisiert hat: "Was da passiert ist, ist ja so einmalig, dass ich sagte, aus diesem Stoff könnte man ein wunderbares Theaterstück machen."

Bereits seit März 2006 liegt die Textfassung vor. Die Proben sind im Gange. Dabei sind die Schauspieler eher Personifikationen von Daten und Fakten als Charaktere. Sie verkörpern eine Lehrstunde in regionaler Geschichte, die den Spannungsbogen von Beginn bis zum Ende immer mehr steigert, bis schließlich die Amerikaner über die Brücke, deren Sprengung den Deutschen misslingt, die rechte Rheinseite erreichen.

Der lokale Bezug dieses bedeutsamen Teils der Weltkriegsgeschichte manifestiert sich immer wieder in der Nennung von Namen und Orten. Es verwundert daher nicht, dass das Interesse am Stück gerade in der näheren Umgebung groß ist. So wird die Truppe um Ullrich zum Beispiel in Euskirchen und Andernach gastieren, freut sich der Intendant. Weil viele Theaterfreunde vor allem die Vorstellungen im Erpeler Tunnel sehen möchten, plane man dort für nächstes Jahr eine Art Freilichtstätte einzurichten, um dort das Stück dann nochmals aufführen zu können, erklärt Ullrich weiter. "Im Tunnel ist man dann auch vor Regen und der Sonne sicher."

Im Theater kann Ullrich den Tunnel nur durch Kulisse und Lichtsetzung andeuten: Am Boden laufen Schienen entlang, rechts das Feldtelefon auf einem Schreibtisch. "Alles ist authentisch", betont Ullrich. "Die Gewehre sind echt." Das wird dann wohl auch dazu führen, dass die Landesbühne mit diesem Stück keinen Gewinn macht. "Es sind sehr viele Schauspieler beteiligt, die Originalrequisiten von Wehrmacht und US-Army sind recht teuer im Verleih", sagt Edgar Neustein, Vorsitzender der Kunst- und Kulturverein "ad Erpelle". Die echten Requisiten unterstützen den Eindruck von einem Dokumentarfilm auf der Bühne. Geschichte zum Ansehen. Ohne Kommentar. Es ist "nur" ein Bauwerk, eine Brücke, die das Schicksal mehrerer Menschen mitgeformt hat. Nüchtern und ohne Schnörkel entwickeln sich die Ereignisse um die Brücke von Remagen im März 1945.

Keine Fiktion, keine wirkliche Prosa, die auf der Bühne zu hören ist. Dafür eine Lektion über entscheidende Stunden kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
(Jana Seifert)

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